Lernen mit und über Medien

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Digitale Konzepte

Das Team

fraMediale 2015 und KBoM! zum Schwerpunktthema Wi(e)derstände – eine weitere subjektive Nachlese

Am 16. September trafen sich zum fünften Mal Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Frankfurt am Main zur Medienmesse und Fachtagung fraMediale. Die fraMediale bietet Impulse für die Verbesserung von Unterricht mit Hilfe digitaler Medien und will den Diskurs zu neuen Medien an Bildungseinrichtungen konzeptionell und theoretisch weiterführen. Zu diesem Zweck kamen nicht nur zahlreiche Lehrkräfte aus der Region, sondern viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Hochschulen und Universitäten aus ganz Deutschland und sogar der Welt angereist. Mit 350 Anmeldungen steigerte sich die Anzahl der Interessierten im Vergleich zu den letzten Veranstaltungen weiter.

Prof. Dr. Ulrich Schrader (Vizepräsident der Frankfurt University of Applied Sciences und Direktor des Frankfurter Technologie Zentrum [:Medien]) betonte in seinem Grußwort, dass die Akteure, die sich um die Förderung und Weiterentwicklung von digitalen Kompetenzen bemühen, Anerkennung brauchen. Ganz in diesem Sinne fand auch die Preisverleihung des fraMediale-Preises, der innovative und zukunftsweisende Ideen beim Einsatz digitaler Medien in Lehr- und Lernkontexten auszeichnet, statt.

News 01 Drache

Gewinner in der Kategorie „Lehrerinnen und Lehrer“ wurde das Projekt "A dragon travels around the world" der Berkersheimer Schule Frankfurt am Main. Die Grundschule tauschte mit einer britischen Schule ein Stofftier und die Schülerinnen und Schüler sandten einander Geschichten, Bilder und Informationen über ihre Unterrichtsinhalte via Internet zu (Plattform eTwinning). Im Gewinnervideo äußern die Kinder, wie toll es war, dass der Drache auch mal zu ihnen nach Hause reisen durfte. In ihrer Laudatio teilte Frau Ute Sauer, Amtsleiterin des Stadtschulamts der Stadt Frankfurt, diese Begeisterung aus pädagogischer Perspektive. Sie lobte die altersgerechte Aufbereitung, welche durch die Drachen eine Verbindung zwischen den Ländern, Menschen und verschiedenen Formen der Medien schaffen konnte.

Auch die fraMediale ging dieses Jahr neue Verbindungen ein. Ihr assoziiert war nicht nur die Jugendkonferenz des JFF (Institut für Medienpädagogik München) „acton! Selbstbestimmt + aktiv online“, die zeitgleich stattfand. Die fraMediale selbst wurde 2015 gemeinsam mit der Initiative „Keine Bildung ohne Medien – KBoM!“ veranstaltet. Als Sprecher der Initiative sprach Prof. Dr. Sven Kommer (RWTH Aachen) einige einleitende Worte. Er betonte, dass die digitalen Medien nicht nur aus technischer Perspektive betrachtet werden sollten. Die Herausforderungen dabei sind seiner Meinung nach allerdings groß, da sich die technische Entwicklung derart rasant vollzieht: Kaum hat man ein Konzept, ist das Medium schon aus der Mode gekommen. Aus seiner Sicht ist derzeit eine Grundbildung Medien für alle Lehrkräfte von zentraler Bedeutung. Sie ermöglicht es erst, pädagogische Kompetenzen im Umgang mit Medien zu entwickeln und würden die Voraussetzung für eine konzeptionelle Weiterentwicklung von Unterricht sein. Zu diesem Schluss kommt er auch vor dem Hintergrund aktueller empirischer Forschung, wie er in dem Abschlussvortrag der fraMediale ausführt. Der „Faktor LehrerIn“ ist für die konzeptionelle Weiterentwicklung des Umgangs mit neuen Medien an Schulen nicht zu unterschätzen.

Wertvolle Widerstände

News 02 knaus

Prof. Dr. Thomas Knaus (Wissenschaftlicher Direktor des FTzM der Frankfurt University of Applied Sciences und Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) führte in das Thema der diesjährigen fraMediale ein: Wi(e)derstände. Anhand eines Ohm‘schen Widerstandes, den er dem Publikum präsentierte, erklärte er, das dieser dem elektrischen Strom einen Widerstand entgegensetzt und dadurch Wärme entsteht. Seine Analogie lief darauf hinaus, dass erst durch den Widerstand Licht entsteht. Übertragen auf die technische Entwicklung, regionale Medienbildungsentwicklung und – beispielhaft – den Ausbau schulischer Medienpädagogik weist Prof. Knaus damit auf die lernförderliche Wirkung von Störungen hin. Digitale Medien sind in der Lage Differenzerfahrungen zu ermöglichen, die lernförderliche Potentiale bieten. Die damit einhergehenden Prozesse verlaufen jedoch nicht geradlinig, sondern immer wieder in Schleifen. Das heißt, es gibt so zusagen „WiEderstände“, also Redundanzen und Wiederholungen. Viele der in diesem Jahr auf der fraMediale präsentierten Projekte und Beiträge lassen sich vor diesem Topos betrachten: Sie sind Berichte darüber, wie Widerstände überwunden wurden bzw. fruchtbar gemacht werden konnten und dennoch bewahrpädagogische Positionen mit jedem neuen Medium wiederholt aus der Schublade gekramt werden.

Prof. Dr. Horst Niesyto (PH Ludwigsburg) als Medienpädagoge der ersten Stunde benennt die Schwierigkeit, einen Durchbruch im bildungspolitischen Bereich zu erlangen, als einen großen Widerstand. Er plädiert in seinem Vortrag deshalb für kritische Medienbildung jenseits funktionaler Vereinnahmung. Hierzu wäre es seiner Ansicht nach notwendig, mehr auf Nachhaltigkeit im pädagogischen Sinne zu setzen und ein umfassenderes Verständnis von Medienbildung zu erlangen. Auch er sieht Widerstände, z. B. im Diskurs mit anderen Disziplinen als sehr wertvoll an.

News03Als ein Beispiel für eine nachhaltige und gelungene Form von Medienpädagogik ließe sich ein weiterer Preisträger des fraMediale-Preises anführen. In der Kategorie Schüler(innen) wurde das Mons-Tabor-Gymnasium Montabaur geehrt. Hier wurde ein System von Medienscouts etabliert, in dem engagierte und geschulte Schülerinnen und Schüler Jüngere in Medienfragen nach dem Peer-to-Peer-Prinzip begleiten. Dabei entstand u. a. ein vielgenutzter Twitteraccount (@mtgdes), den Frau Prof. Dr. Angelika Beranek (Hochschule München und FTzM Frankfurt am Main) in ihrer Laudatio mit großer Begeisterung empfahl zu lesen.

Ebenso mit voller Begeisterung machte sich Horst Sulewski (Hessische Lehrkräfte Akademie) in seinem Beitrag mit seinen Zuhörerinnen und Zuhörern auf eine (Bahn-) Reise durch die deutsche Historie der Medienbildung. Er erinnerte an die Erstellung wegweisender Papiere: 1995 „Medienerziehung in der Schule“ von der BLK und „Medienpädagogik in der Schule“ von der KMK, 2008 die Erstellung der curricularen Umsetzung von Medienbildung durch die Länderkonferenz Medienbildung und 2009 das „Medienpädagogische Manifest“ aus der die Initiative „Keine Bildung ohne Medien!“ hervorging. Auch er zog das Bild der „WiEderstände“ hinzu: Er beobachtete des Öfteren, dass bereits Beschlossenes erst wieder erkannt und neueingeholt werden muss. Horst Sulewski sah zwar noch „Brocken“ auf dem Weg, die überquert werden müssen (z. B. fehlende systematische Bezüge, unklare Zuständigkeiten, Technikdominanz und unzureichende Aus- und Weiterbildung), doch resümierte er positiv, dass Medienbildung als Lernen mit und über Medien in der bildungspolitischen Diskussion angekommen ist.

(Foto aus: http://framediale.de/Preis2015/medienscouts_mtg.mp4 (ftzm))

Workshops zu Wi(e)derständen

Insgesamt 9 Workshops mit 22 Referenten und Referentinnen aus fast allen Bundesländern und sogar aus der Türkei und Österreich diskutierten mit den Teilnehmenden und loteten die Situation der Medienpädagogik weiter aus.


Prof. Dr. Christian Swertz (Universität Wien), Prof. Dr. Pelin Yüksel Arslan und Kolleginnen und Kollegen fragten nach dem „Warum?“ und erkundeten die Mannigfaltigkeit von politischen Beweggründungsstrukturen des Zusammenhangs zwischen Medien und Bildung. In einer Art wissenschaftlichen Speeddating boten sie verschiedene theoretische Werkzeuge (z. B. die Theorie Bourdieus oder eine Palette politsicher Farbenlehre) an, um zu klären, vorwelchen Hintergründen wie argumentiert wird.

Christian Helbig M.A. (Technische Hochschule Köln) weitete die Perspektive noch weiter aus und wies darauf hin, dass ein Diskurs und eine gemeinsame Verständigung über Normen und Werte einer digitalen Kultur von nöten sind. Vorallem in der Auseinandersetzung mit Perspektiven der Medienbildung in der Sozialen Arbeit wird dies schnell offenkundig. Seiner Ansicht nach bringen neue Medien hier nicht nur neue Formen der Dokumentation, sondern auch der Reflektion mit sich. Die entgrenzte Kommunikation, konvergente Mobilität und Multifunktionalität sowie die Persistenz von Kommunikationswelten führen zu einem Wandel von Normen und Regeln. Dies bringt nicht nur zupraktischen Herausforderungen mit sich, sondern muss auch für die Professionstheorie aufgearbeitet werden. Die Medienpädagogik steht hierbei vor allem vor der Herausforderung mit der Veränderungen im Generationenverhältnis und der Entgrenzung des Privaten umzugehen.

In mehreren Workshops wurde der Aufruf, dass Lehrkräfte eine medienpädagogische Grundbildung bräuchten,ventiliert oder Konzepte hierzu vorgestellt. Vertreter und Vertreterinnen der Initiative KBoM! stellten erprobte Beispiele aus verschiedenen Bundesländern zur medienpädagogischen Grundbildung in den Bereichen Elementarpädagogik, Schule und Universität vor. Julia Menz und Christian Enders (Katholische Hochschule Mainz) diskutierten mit ihren Teilnehmenden das Positionspapier "Grundbildung Medien" der KBoM!-Initiative und regten dazu an, auch eigene Forderungen zu formulieren. Hannah Bolz und Angelika Dassow (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) boten Informationen zum Erweiterungsstudiengang Medienpädagogik an und widmeten sich dabei Widerständen in der Lehrerbildung. Sogar ein Pilotprojekt zum Einsatz von iPads im inklusiven Unterricht wurdevon der Friedrich-Bodelschwingh-Schule Wiesbaden vorgestellt. Auch die mitunter schwierige Kooperation zwischen außerschulischer und schulischer Medienpädagogik wurde vom JFF (Institut für Medienpädagogik München) thematisiert. 

News 04 ARSnovaSehr konkreten Einblick in die Umsetzung praktischer Formen der Medienpädagogik konnte man in den Workshops von Prof. Dr. Christof Schreiber und Rebecca Klose (Universität Gießen) sowie Prof. Dr. Klaus Quibeldey-Cirkel mit Christoph Thelen (Technische Hochschule Mittelhessen) erhalten. Mit Hilfe der Gießener Referenten wurden nicht nur Audio-Podcasts am Beispiel Mathematik-Unterricht erläutert, die Teilnehmenden konnten sogar selbst Podcasts erstellen. Das Workshopthema von Herrn Quibeldey-Cirkel widmete sich dem Erkennen von Lernwiderständen. Er und sein Team erarbeiteten ein Audience Response System ARSnova, welches in der Rubrik HochschulehrerInnen den diesjährigen fraMediale-Preis erhielt. Mit großen Aufwand, informatischen und pädagogischen Knowhow und Anspruch wurde ein mediengestützes und in mehrerlei Hinsicht interaktives Werkzeug für den Unterricht entwickelt. Hierbei können Studierende nach dem Modell des inverted classrooms mit Hilfe von Tutorials den Unterricht vorbereiten und interaktiv beeinflussen. Prof. Dr.-Ing. Kira Kastell (Vizepräsidentin für Studium und Lehre der Frankfurt University of Applied Sciences) verwies in ihrer Laudatio auf die beeindruckende Komplexität dieses just-in-time-teachings.

 (Foto aus: http://framediale.de/Preis2015/inverted_classroom_mit_arsnova.mp4 (ftzm))

 

Exponate

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Auch bei den 15 Austellerinnen und Ausstellern fand man die in den Grußworten und einleitenden Vorträgen geäußerten Anliegen vertreten oder sogar umgesetzt. Besucherinnen und Besucher fanden hier nicht nur zahlreiche Materialien, Handreichungen und Flyer, die über Plattformen, Hilfeeinrichtungen und Projekte informierten. Auch viele Möglichkeiten zur grundständigen Ausbildung für Lehrkräfte wurden vorgestellt (z. B. Virtuelles Zentrum für Lehrerbildung, Goethe Universität Frankfurt am Main, Clearingsstelle Medienkompetenz der DBK). Daneben präsentierten sich auch Initiativen, die auf bildungspolitischer Bühne aktiv sind (KBoM!) oder etablierte Akteure nachhaltiger Medienbildung (z. B. medienprojektzentrum offener kanal offenbach/frankfurt).

watch and writeUnter den Ausstellenden war auch eine weitere fraMediale-Preisträgerin zu finden: In der Kategorie „Studierende“ überzeugte „Watch + Write! – Zeichentrick-Videos zum wissenschaftlichen Schreiben und Arbeiten“, welches von Studierenden im Rahmen von SeLF - Studentische eLearningFörderung von studiumdigitale, der zentralen eLearning-Einrichtung der Goethe-Universität Frankfurt am Main, präsentiert wurde. In seiner Laudatio lobte Herr Prof. Dr. phil Dipl. theol. Gerd Döben Henisch (Frankfurt University of Applied Sciences und Mitglied im FTzM) nicht nur die ästhetisch gelungene Umsetzung des Projektes, sondern auch die „Entmystifizierung des Schreibprozesses“. Er bemängelt, dass der Schreibprozess an Hochschulen noch nicht ausreichend gefördert wird und freut sich somit auch vor diesem Hintergrund über das herausragende Projekt.

(Foto aus: http://framediale.de/Preis2015/watch_and_write.mp4 (ftzm))

 

Resümee

Durch die Veranstaltung zog sich zu vielen Momenten eine positive Stimmung der Inspiration und des Aufbruchs. Das Treffen von Gleichgesinnten und die Wahrnehmung, dass das Anliegen der Medienpädagogik mit der Zeit immer mehr in der bildungspolitischen Landschaft Fuß fasst, es immer mehr Wege der Aus- und Weiterbildung gibt und sich medienpädagogische Konzepte und Theorien weiter ausdifferenzieren und etablieren, macht ein wenig hoffnungsfroh. Allerdings stehen das Engagement und die Einschätzung der Notwendigkeiten der Anwesenden in krassem Gegensatz zu manchen bildungspolitischen Entscheidungen. Die treffende Bemerkung von Prof. Horst Niesyto zu der finanziellen Unterstützung auf bundespolitischer Ebene lautet „Das sind Peanuts!“ Es bleibt eine große kreative Aufgabe, auch in die Breite zu wirken und Widerstände dazu zu nutzen, Aufklärung zu betreiben.

Act on!

 

Dr. Katrin Velentin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Text und Fotos)