Know-how-Transfer auf der fraMediale 15´

„Kein fraLine-Sommerfest in diesem Jahr?“ mag mancher Fan im Vorfeld etwas enttäuscht gefragt haben. Denn dieser Event war seit Jahren ein beliebter Treffpunkt für Lehrerinnen und Lehrer, Kooperationspartner (wie etwa Caritas und die Siemens AG) sowie Vertreter des Stadtschulamts und der FH.

Aber wie die über 200  Teilnehmer der als „Fachtagung und Messe“ angekündigten Veranstaltung am 23. September 2009 feststellen konnten, war die fraLine-Truppe um  Prof. Dr. Ulrich Schrader und Dr. Thomas Knaus mit der fraMediale 15’ zu neuen Ufern aufgebrochen.

Präsident Buchholz: Win-Win-Situation
Unter dem Motto "Studierende unterstützen Lehrerinnen und Lehrer der Frankfurter Schulen bei der Lösung von IT-Problemen" hat die bereits 2001 gestartete Kooperation des Stadtschulamts der Stadt Frankfurt am Main mit dem Fachbereich 2 dazu beigetragen, die technischen Voraussetzungen für den pädagogischen Einsatz der Neuen Medien in den Frankfurter Schulen zu schaffen und zu festigen. Die fraLine-Beratung erfolgt über eine Hotline oder auf Wunsch direkt vor Ort. Die Teammitglieder sind in der Mehrzahl Studierende.

foto fraMediale caz detlev buchholz thomas knausHieran knüpfte FH-Präsident Dr. Detlev Buchholz bei seinem Grußwort zur Eröffnung der ersten fraMediale 15´ an. Er würdigte die Kooperation mit der Stadt Frankfurt als „Win-win-Situation“. Denn seine Studentinnen und Studenten profitieren von ihrem Engagement durch praxisnahe Weiterbildung neben dem Studium. Zudem haben Frankfurter Schülerinnen und Schüler – dies ist für ihn ein weiterer  Pluspunkt –  nicht zuletzt dank fraLine bereits praktische Erfahrungen mit dem PC-Einsatz und dessen vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten sammeln können. Denn ohne solche Fertigkeiten kann heute kein Hochschulstudium absolviert werden.

Breiter Einsatz Neuer Medien erwünscht
Bürgermeisterin Jutta Ebeling versäumte in ihrer Begrüßungsrede nicht, auf die von der Stadt Frankfurt in den letzten Jahren geleisteten Investitionen in das technische Equipment der Schulen hinzuweisen.
Gleichzeitig würdigte sie den Einsatz von fraLine, gerade wenn es nicht nur um den „technischen Aspekt“ geht, sondern auch darum, den Einsatz neuer Medien an den Schulen nachhaltig zu verbreitern, vor allem aber darum, Lehrerinnen und Lehrer zum Gedankenaustausch auf diesem Feld zusammen zu bringen . Dies war dann das Stichwort für Dr. Thomas Knaus, zusammen mit seiner Kollegin Olga Engel den Grundgedanken der neuen Veranstaltung deutlich zu machen: nämlich einen breit gefächerten Gedankenaustausch aller Betroffenen zu ermöglichen. Womit fraLine „aus der Not eine Tugend“ gemacht hat: Hatte man doch feststellen müssen, dass bei einer (aufgrund knapper Gelder) begrenzten Anzahl von Lehrerseminaren eine Vielzahl von Anregungen überhaupt nicht aufgegriffen werden konnte. Folglich erhielt bei der fraMediale 15’ eine bunt gemischte Schar von 19 Referentinnen und Referenten die Gelegenheit, ihre Konzepte und Erfahrungen vorzustellen, und zwar im

foto fraMediale caz buergermeisterin jutta ebeling15-Minuten-Takt (daher 15’). Das erwies sich in der Realität zwar als etwas anstrengend für Vortragende und Zuhörer, war aber in doppelter Hinsicht gewinnbringend – war doch die Veranstaltung beim Institut für Qualitätsentwicklung akkreditiert und brachte den Lehrerinnen und Lehrern neben Wissenszuwachs und praktischem Anschauungsmaterial auch noch Fortbildungspunkte.

Das Nebelhorn gab den Takt vor
Dr. Clemens Bohrer vom Zentrum für Lehrerfortbildung und Unterrichtsforschung der Goethe-Universität  zitierte Ausschnitte eines Schulprojekts. In einem Videoclip mit dem Titel „Express yourself“ stellten sich Schülerinnen und Schüler per Foto und Video mit ihren Hobbies, Freunden etc. selbst vor. Kaum hatte Dr. Bohrer einige technische Details zu Planung und Produktion nachgeschoben, tutete auch schon ein „Nebelhorn“, um anzuzeigen, dass seine Redezeit vorbei war.
Auch in der Folge sollte dieses praktische Signal den meisten Referenten Kummer bereiten, die ihre 15 Minuten wohl etwas zu breit interpretiert hatten.

Heidi Sekulla und Claudia Wierz sind Medienpädagoginnen von „kontextmedien“. Sie erstellen Unterrichtskonzepte für Schulen und plädierten für einen direkten Austausch mit den Jugendlichen. Ziel sei es deren Medienkompetenz zu fördern, und zwar in Richtung Kreativität und Kommunikation. Beide schilderten Beispiele aus ihrer Praxis, etwa ein Projekt zum Thema Medienethik oder die Entwicklung von Medienbildungskonzepten für Grundschulen.

Ines Faulstich vom Stadtschulamt – dort die Bezugsperson für fraLine - zog zunächst eine Bilanz, wonach in Frankfurt am Main 154 Schulen zu versorgen seien. Dabei handelt es sich konkret um etwa 6000 Lehrkräfte und 85.000 Schülerinnen und Schüler, die mit etwa 15.000 Schulrechnern ausgestattet sind. Über das bereits Erreichte gelte es hinauszuschauen. Frau Faulstich betonte, wie wichtig der Dialog zwischen IT-Technikern und Pädagogen sei, damit die Schule die wichtige Grundlage schaffen könne für ein lebenslanges Lernen.

Das war im Übrigen ein genereller Tenor vieler Vortragender: Der Einsatz Neuer Medien im Unterricht darf nicht bei der bloßen Technik stehen bleiben. Dies ist ja ein Ansatz, den fraLine selbst seit einigen Jahren mit der Unterrichtsbegleitung und anderen Aktionen verfolgt.

Prof. Dr. Ulrich Schrader – er lehrt an der FH u.a. „Informatik im Gesundheitswesen“ – hatte seinen originell gestalteten Vortrag betitelt: „Web 2.0 – Vom Ich zum Wir“. Dank des Web 2.0 können Menschen heute in den komplexesten und größten Gruppen weltweit miteinander kommunizieren und interagieren. Die daraus abgeleitete Feststellung „Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt“ veranschaulichte er an diversen Beispielen.
Günter Battenfeld skizzierte anschließend ein am Friedrich-Dessauer-Gymnasium entwickeltes Projekt zur Kurs- und Fachauswahl per Internet, bei dem sich die Schülerinnen und Schüler in das von der Schulleitung erstellte Stundenplanprogramm „einwählen“ können.

Prof. Bernhard Kayser von der FH Frankfurt – er betreut den Schwerpunkt Kultur und Medien für Sozialpädagogik-Studierende – plädierte vehement für einen erweiterten Medienbegriff unter dem Titel „Medien können mehr“.

foto fraMediale caz bembel olga engelBislang seien die Neuen Medien mehr oder weniger nur didaktische Hilfsmittel zur Optimierung des Unterrichts. Die Schule brauche eine veränderte Lernkultur, in der die Medienkompetenz - neben Selbstkompetenz und sozialer Kompetenz – zu den Schlüsselkompetenzen gehören müsse. Dabei werden Medien als genuine Ausdrucksmittel genutzt.

Dipl.-Informatiker Anthony Schmelz ist fraLine auch nach seinem Studienabschluss treu geblieben. Er referierte über fraDesk, das im Rahmen von Diplom- und Bachelor-Arbeiten im Fb 2  entwickelte „mandantenfähiges Helpdesksystem“ für die Koordination und Dokumentation von Kundenanfragen etc. Derzeit arbeitet das fraLine-Team an der weiteren Optimierung der Software.

Thomas Hilmer vom Projekt Lehr@amt der Goethe-Universität sprach zum Thema „Wikis in der Lehre: Von der Kooperation zur Kollaboration“. Das für die Oberstufe entwickelte Konzept zielt auf ein Zusammenwirken mehrerer/vieler Schüler, das nicht mehr zeitgebunden oder ortsgebunden (d.h. an den Klassenraum) ist, aber die gemeinsame Arbeit an einem Dokument ermöglicht. Networking also, bei dem es die gewohnten linearen Lernprozesse nicht mehr geben wird.

Entscheidend ist das Prinzip der Erforderlichkeit
Manfred Weitz, Jurist und lange Zeit Mitarbeiter des hessischen Datenschutzbeauftragten für Schulen, lieferte einige Stichworte zu den relevanten Gesetzestexten und Regelwerken. Seine Feststellung, dass die Schulen selbst vom Datenschutz wenig Ahnung haben, rief im Auditorium zustimmendes Gemurmel hervor. Ob der gebotenen Kürze der Darstellung blieb hier bei den  Nichtjuristen wenig hängen - mit Ausnahme der Feststellung, dass es das Prinzip der „Erforderlichkeit“ ist, das beim Gebrauch von geschützten Daten im schulischen Raum die Grenze setzt.

foto fraMediale caz ueberraschungsgastDr. Thomas Knaus, der als fraLine-Projektleiter durch die Veranstaltung führte und alle Vortragenden (passend zum hessischen Buffet) mit einem Bembel (Krug für Apfelwein) beschenkte, trat auch in eigener Sache vor das Publikum. Seine Dissertation „Kommunigrafie – Eine empirische Studie zur Bedeutung von Text und Bild“ liegt nun als Buch vor. Einige der darin behandelten Themen und Feststellungen brachten interessante Erkenntnisse: Etwa, dass der Vormarsch des Internet keine einsamen Computer Kids hervorgebracht hat, wie man immer vermutete, sondern eher zu einer Verschiebung der Kompetenzen führte. Zunächst wird der Umgang mit den Neuen Medien, wie seine Studie ergab, weder als erlebnisärmer noch als erlebnisreicher empfunden, als direkte persönliche Kontakte. Allerdings trägt die hohe Präsenz von Bildern im Netz dazu bei, dass bei Jugendlichen die schriftsprachliche Kompetenz abnimmt. An mehreren Beispielen machte Dr. Knaus zugleich deutlich, dass ganz allgemein heute vielfach das Bild bzw. Symbol den Text verdrängt. Daran schloss sich die Frage an: „Wie kritisch gehen wir mit Bildern um?“ Das betrifft natürlich auch und vor allem Kinder und Jugendliche.

Blick über den Tellerrand
Den „Blick über den Tellerrand“ brachte Harry Plaatsman von OPSO-Purmerend in den Niederlanden (er ist beim Schulamt verantwortlich für die PC-Nutzung in den niederländischen Grundschulen). Mit trockenem Humor berichtete er über die Einführung der Computer an den niederländischen Schulen (für die es unter Umständen auch einmal keinen Lehrer gab, der sich damit auskannte) im Jahr 1982. Erst 2002 wurden auf massiven Druck der betroffenen Lehrer an den Schulen Techniker zur Wartung und Betreuung der Computer angestellt. Auch Plaatsmann setzte sich dafür ein, nicht in der bloßen Technik stecken zu bleiben, was auch eine Weiterbildung der Lehrer voraussetze.

„Im Schulalltag hat sich die Medienpädagogik als Querschnittsaufgabe für alle Fächer nicht durchgesetzt“, zitierte Dieter von Holst (Staatliches Schulamt Frankfurt am Main) aus dem Medienpädagogischen Manifest. Sein Kurzvortrag trug den Titel „Medienkonzepte entwickeln – Medienkompetenz stärken“. Dabei äußerte er sich ausführlich zum Fortbildungsportal www.medienbildung-frankfurt.de.

Silke Weiß vom Projekt Lehr@mt der Goethe-Universität beleuchtete den „Paradigmenwechsel im Unterricht durch Webquests“. Bei dieser „zeitgemäßen Unterrichtsmethode“ (Weiß) gehen Schüler und Schülerinnen im Internet quasi auf „Schatzsuche“. Sie müssen sich ihr Wissen selbst erarbeiten, wobei die Lehrer nur noch als Berater fungieren. Der Ausgang ist jeweils offen, weil Wissen bekanntlich niemals abgeschlossen ist.

Kirsten Lauer, Beauftragte für e-Learning an der FH Frankfurt – und ehemalige fraLinerin, führte aus, dass Lernplattformen (speziell ging es hier um Moodle) durchaus vereinbar sind mit den Lehr- und Lernmethoden einer Präsenzuniversität, wie der FH.

Die freiberufliche Medienpädagogin Konstanze Wühr stellte anhand von Filmausschnitten ihre Versuche vor, den Kindern Medien (Foto, Video) als Werkzeug zur Erforschung und Aneignung von Welt und Natur nahe zu bringen. Die gezeigten Beispiele aus Schulprojekten waren überaus vergnüglich und brachten wieder Leben in das inzwischen recht erschöpfte Publikum.

foto fraMediale caz buffet tapasNicht nur Infomaterial, sondern auch „hessische Tapas“
Informationen sammeln ließ sich jederzeit auch an zwölf Ausstellungsständen unterschiedlicher Couleur, an denen sich nach den Vorträgen einzelne Gesprächsgruppen sammelten: Neben der Goethe-Universität (Projekt Lehr@mt) belegte der Fb 2 selbst drei Stände: Außer fraLine und fraDesk für die Organisatoren der Veranstaltung stellte der Studiengang Informatik seine für Schulen konzipierten Projekte vor, u.a. den Labortag, die Technikakademie und den Girl’s Day für technikinteressierte Schülerinnen. Daneben präsentierten sich Frankfurter Schulen, das Medienprojektzentrum Offener Kanal der LPR Hessen, das Medienzentrum sowie der Präventive Jugendschutz der Stadt Frankfurt am Main und kontextmedien.

Auch beim Buffet hatte sich fraLine etwas Besonderes ausgedacht: Es gab – wohl als Reminiszenz an das Sommerfest -  Live Cooking mit dem bewährten Grillmeister Ralph E. Schüller. Vor allem aber gab es „hessische Tapas“ aus dem Glas,  deren Verzehr sich auch beim Vortrag nicht als hinderlich erwies. Allerdings war der Besucherandrang so groß, dass die Letzten vermutlich „vom Leben bestraft wurden“, d.h. die besten Happen schon nicht mehr mitbekamen. Ein kleiner Trost: Die fraMediale wird 2010 wiederholt. Und es gibt bereits die ersten Anmeldungen dafür.                    

Rita Orgel, Fb2


Erschienen in: CAZ (Campuszeitung FH Frankfurt)
Datum: Okt./Nov./Dez. 2009
Verfasserin: Rita Orgel

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