Beziehungsweise - fraLine: Informatikstudierende trainieren Softskill

Die Vorstellung vom Informatiker als „Stubenhocker“, der lieber mit seinem Computer als mit Menschen kommuniziert, hat mit den heutigen Anforderungen an IT-Profis wenig zu tun.  Sie sollen nicht nur mit C++ und Datenbanken arbeiten können, sondern auch kommunikativ und teamfähig sein.

Soziale und kommunikative Kompetenzen oder „Softskills“ werden in der IT-Welt zunehmend als selbstverständlich vorausgesetzt. Denn: Nicht selten scheitern IT-Projekte an Kommunikationsproblemen zwischen Dienstleister und Auftraggeber. Da Letztere oft nicht vom Fach sind, ist es Aufgabe der IT-Dienstleister,  fachliche Hintergründe und Anforderungen eines Vorhabens möglichst verständlich und transparent zu machen, wie eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger (2008) zeigt.

„Softskills“ sollten sich Studierende am besten schon während des Studiums aneignen, zum Beispiel beim Praktikum oder im Nebenjob. Auch bei fraLine, dem Kooperationsprojekt der Fachhochschule und des Frankfurter Stadtschulamts, erhalten Studierende die Möglichkeit, soziale und kommunikative Kompetenzen zu trainieren. Das vorwiegend aus Informatik- oder Ingenieurstudierenden bestehende Team leistet IT-Support an den Frankfurter Schulen und unterstützt Lehrkräfte bei der Lösung von IT-Problemen.

Wenn das Telefon heiß läuft
Zur Unterstützung der Schulen betreibt fraLine unter anderem eine telefonische Hotline. Hotlinerinnen und -liner brauchen ein „dickes Fell“ und vor allem Kommunikationstalent. Kein Wunder, denn sie werden ja vor allem dann angerufen, wenn etwas nicht mehr so läuft, wie es sollte. Häufig ist dies einer der inzwischen ca. 15.000 Schulcomputer an den Frankfurter Schulen, die fraLine betreut. Beim Telefonat ist dann nicht nur fachliches Know-how gefragt, sondern ein guter Draht zur Person am anderen Ende der Leitung. Dafür wird das fraLine-Team regelmäßig in Workshops trainiert.

foto1 hotline katharina thuelen fav10„An der Hotline habe ich gelernt, mich auf Menschen einzustellen, die sich mit IT-Themen  nicht auskennen. So versuche ich, unbekannte Fachbegriffe zu vermeiden oder technische Details so zu erklären, dass auch Fachfremde sie verstehen können “, so fraLine-Mitarbeiterin Katharina Thülen.

Studierende coachen Lehrkräfte
fraLine-Mitarbeiter lösen IT-Probleme aber auch vor Ort an den Frankfurter Schulen und arbeiten dabei  häufig mit „IT-Beauftragten“ zusammen. Das sind Lehrkräfte, die für die Medientechnik zuständig sind. Da diese jedoch nicht immer über umfassende technische Kenntnisse verfügen, gehört auch die Wissensvermittlung im Rahmen von Seminaren und Praxisworkshops zu unterschiedlichen IT-Themen zum Tätigkeitsfeld des fraLine-Teams.

foto2 lehrerworkshop nils wilkeNils Wilke, langjähriger und erfahrender fraLine-Referent: „Ich habe dabei vor allem viel Sicherheit gewonnen. Und das machte sich auch in meinem Studium bemerkbar: Von meinen Dozenten bekam ich häufig die Rückmeldung, dass ich beim Präsentieren sehr erfahren wirke.“

Viele Köche verfeinern den Brei – Arbeiten im Team
Einzelkämpfer sind auch in der IT-Welt nicht mehr gefragt. Um komplexe Aufgaben
bewältigen zu können, müssen die Fähigkeiten und das Wissen einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebündelt und aufeinander abgestimmt werden. So dienen bei fraLine regelmäßige Meetings und interne Workshops als Plattform, um Lösungen für die in den Schulen aufgetretenen IT-Probleme zu entwickeln. Oft konnten so schon gemeinsam schon Probleme gelöst werden, an denen sich zuvor einzelne Teammitglieder die Zähne ausbissen hatten.

foto3 teammeetingVoraussetzung dafür, Lösungen gemeinsam zu identifizieren, ist gegenseitiges Vertrauen und der Mut, sich eigene Wissenslücken einzugestehen. Um von Beginn an Vertrauen zu fördern, erhalten neue Kolleginnen und Kollegen in der Anfangszeit ein langjähriges Teammitglied als Mentor zur Seite gestellt:
„Mir hilft es sehr, einen persönlichen Ansprechpartner zu haben, den ich immer offen fragen kann, wenn ich etwas nicht verstehe“, berichtet Tarik Erroukbani, Informatikstudent an der FH FFM, der neu im fraLine-Team ist. Teamarbeit bedeutet eben vor allem, nicht immer alles selbst wissen zu müssen, sondern auf das Know-how der Kolleginnen und Kollegen zurückgreifen zu können.

foto4 hotline nils jungDiese Erfahrung hat auch der fraLiner Nils Jung schon gemacht: „In einem Team gibt es immer ‚Experten’, die sich mit einem Thema besonders gut auskennen. Zu wissen, wen man zu welchem Bereich etwas fragen kann, hat mir die Arbeit schon sehr oft erleichtert.“

 
Fit für die Berufswelt
Am Ende ihres Studiums und ihrer Tätigkeit bei fraLine können die meisten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur mit Fachkenntnissen punkten, sondern auch mit den in der Berufswelt gefragten „Softskills“. Daher überrascht es nicht, dass viele von ihnen den Berufseinstieg bei attraktiven Arbeitgebern fanden, darunter Lufthansa Systems, Google, KPMG, Claranet und die Deutsche Bank. Soziale und kommunikative  Kompetenzen können eben nicht aus Büchern gelernt werden, sondern nur „on the job“.


Olga Engel, FB2/fraLine


Erschienen in: CAZ
Datum: Juni 2011

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